Während meiner Zeit als Militärseelsorgerin bei der Marine wurde mir bei einem Einsatz im Libanon ein besonderes Kreuz geschenkt: ein SPLITTERKREUZ.
Das Splitterkreuz erzählt seine eigene Geschichte in dieser von Krieg und Gewalt zerrissenen Region. Ein Soldat hat es aus den Trümmern von Artillerie-Granaten zusammengefügt. Überall auf den Golan-Höhen finden die dort stationierten UN- Friedenstruppen diese Splitter. Als ich bei meinem Einsatz auch das Hauptquartier der UN-Mission im Südlibanon besuchte, wurde mir nach einem internationalen Gottesdienst von einer Blauhelm-Soldatin das Kreuz überreicht. Ich freute mich – und war zugleich erschrocken. Ein Kreuz aus Kriegstrümmern. Granatsplittern. Paßt das zusammen? Ist das nicht makaber? Ist das nicht obszön?
Die Soldatin nahm es als Mahnzeichen, als Hoffnungszeichen für den Frieden angesichts von Haß und Gewalt. Als Erinnerung an alle Menschen – und nicht zuletzt Soldatinnen und Soldaten – die in Krieg und Terror getötet und verletzt, an Leib und Seele verstümmelt werden. Sie nahm es als Hoffnungszeichen, daß das Leben wieder heil und ganz werden kann, trotz der sichtbaren Brüche und Narben. Und wirklich - wenn man dieses Kreuz länger betrachtet, dann fällt auf: beim Zusammenfügen wurde nirgends etwas geglättet oder beschönigt. Die einzelnen Granatsplitter sind zum Kreuz gefügt, doch die scharfgratigen Bruchkanten bleiben.
Das Splitterkreuz löst Fragen aus, Abwehr, Betroffenheit. Es provoziert Auseinandersetzungen über Krieg und Frieden, bei denen man schnell merkt: Einfache Antworten, einfache Lösungen scheint es nicht zu geben. Aber in all dem bleibt auch dieses Kreuz das Zeichen für den Glauben und die Hoffnung:
Christus ist unser Friede. (Epheser 2, 14)
Kerstin Jaensch