UNSERE GEMEINSAME VERANTWORTUNG IN EUROPA
“Selig, die Frieden stiften,
denn sie werden Kinder Gottes genannt werden”
(Matthäus 5, 9)
Liebe Schwestern und Brüder,
wir senden Ihnen diesen Brief in schwierigen Zeiten. Was vor drei Jahren nur wenige Menschen für möglich gehalten hätten: Großbritannien wird aller Voraussicht nach die Europäische Union verlassen. Der Brexit bleibt ein alarmierendes Beispiel einer sich ausbreitenden politischen Agenda, die Nationalismus und Isolationismus vorantreibt. Einer Agenda, die einen dunklen Schatten wirft auf verantwortliches politisches Handeln. Es geht beim Brexit nicht nur um einen Austritt aus der Europäischen Union, sondern um einen Ausstieg aus einem gemeinsamen Friedensprojekt,
an dem nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Fall der Mauer Generationen von Menschen erfolgreich gearbeitet haben: Es handelt sich um die Vision eines gerechten und friedlichen Miteinanders aller europäischen Länder.
Vor 18 Jahren haben alle europäischen Kirchen ein starkes Zeichen der Verbundenheit gegeben: Die Charta Oecumenica. In der Einsicht, dass Europa mit dem Hinzukommen von Ländern in Osteuropa vor neuen gemeinsamen
Aufgaben stand, formulierten die Kirchen Grundlagen des Zusammenlebens, denen sie verpflichtet sind. Sie bekannten sich dazu, dass sie „mit dem Evangelium für die Würde der menschlichen Person als Gottes Ebenbild eintreten und als Kirchen gemeinsam dazu beitragen Völker und Kulturen zu versöhnen“.
Offen und selbstkritisch sprachen die Kirchen ihre Verpflichtung für Europa aus: „Unser Glaube hilft uns, aus der Vergangenheit zu lernen und uns dafür einzusetzen, dass der christliche Glaube und die Nächstenliebe Hoffnung ausstrahlen für Moral und Ethik, für Bildung und Kultur, für Politik und Wirtschaft in Europa und in der ganzen Welt. Die Kirchen fördern eine Einigung des europäischen Kontinents. Ohne gemeinsame Werte ist die Einheit dauerhaft nicht zu erreichen. Wir sind überzeugt, dass das spirituelle Erbe des Christentums eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas darstellt.“ Uns erscheint dieser Appell drängender denn je.
Am 26. Mai wird ein neues Europäisches Parlament gewählt. Wir sind davon überzeugt, dass eine starke pro-europäische Mehrheit im Parlament ein wichtiges und notwendiges Zeichen für die Zukunft der Europäischen Union sein wird.
So bitten wir Sie, die Wahl am 26. Mai zu nutzen, Ihre Stimme abzugeben und ein Zeichen zu setzen, dass Ihnen die Zukunft eines geeinten Europas am Herzen liegt. Zugleich bitten wir Sie: Werben Sie in Ihren Gemeinden, am Arbeitsplatz, in Ihrer Familie dafür, dass Europa als Projekt des Friedens und der Gerechtigkeit eine Zukunft hat. Sicherlich ist vieles in Europa verbesserungsbedürftig. Aber die Europäische Union bietet den Ländern Europas
auch die Chance, auf die Herausforderungen der Gegenwart gemeinsam zu reagieren. Diese Chance dürfen wir nicht verspielen. Es gilt, das Erreichte in einem gemeinsamen Geist weiter zu entwickeln. Nicholas Baines, Bischof in Leeds und Mitglied im House of Lords, dem Oberhaus in England, sagte in einer Rede im letzten Jahr: „Wir werden
eine junge Generation brauchen, die eine neue Geschichte erzählt. Und diese neue Leitung wird Menschen wieder zusammenbringen und zeigen, Europa ist nicht nur Handel und Wirtschaft.“ Bei dieser Wahl sind wir dazu aufgerufen, an dieser Geschichte mitzuschreiben.
Gott behüte Sie!
Ihre
gez. Thomas Adomeit
Bischof Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
gez. Propst i.R. Matthias Blümel
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Niedersachsen
gez. Dr. Franz-Josef Bode
Bischof von Osnabrück
gez.Renke Brahms
Schriftführer Bremische Evangelische Kirche
gez. Dr. Martin Heimbucher
Kirchenpräsident Evangelisch-reformierte Kirche
gez. Dr. Karl-Hinrich Manzke
Landesbischof Ev.-luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe
gez.Ralf Meister
Landesbischof Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
gez. Dr. Christoph Meyns
Landesbischof Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig
gez. Wilfried Theising
Bischöflicher Offizial und Weihbischof
Bischöflich Münstersches Offizialat
gez. Dr. Heiner Wilmer SCJ Bischof von Hildesheim