Alle fünf Jahre unternimmt der Bremerhavener Kammerchor eine Konzertreise und nun, im Jubiläumsjahr, sollte es ein besonderes Ziel sein. Zunächst fiel die Wahl auf Wien, was nach Florenz, Rom, Madrid und Dresden ein schönes Reiseziel gewesen wäre. Aber es kam anders: Es wurde die Oberlausitz, wärmstens empfohlen und bestens organisiert von den Chormitgliedern Monika und Dieter Janus.
In Orten wie Görlitz, Oybin, Seifhennersdorf, Zittau und Herrnhut war der Bremerhavener Kammerchor in diesem Oktober in ganz besonderen Kirchen zu Gast: Dort erklangen zum Jubiläumskonzert des Chores Motetten u.a. von Schein, Poulenc, Grieg und Nystedt, sowie zwei Erstaufführungen von Gründungsmitglied und Chorsänger Volker Nagel-Geißler und von Timothy Sharp, häufig Solist bei Oratoriumskonzerten in der Christuskirche.
Der Chor musste sich jeweils vor Ort allerlei Herausforderungen stellen, denn die Kirchen waren sehr unterschiedlich hinsichtlich der Akustik und der Bauweise. So hatte z. B. die Peterskirche in Görlitz einen Nachhall von 7 sec, in der Bergkirche in Oybin jedoch klang nur direkt der gesungene Ton, der sich nicht weiter im Raum entfaltete. Diese an und in einen Berg gebaute Kirche fühlte sich aber nicht nur klanglich, sondern auch aufgrund ihrer Bauweise an wie ein Theater: der Altar befindet sich unten und die Zuhörer sitzen in aufsteigenden Reihen; das Ganze wurde bereits zur Barockzeit aus Holz gebaut. Vorallem Kantorin und Organistin Eva Schad sah sich in den Kirchen vor besondere Herausforderungen gestellt, denn sie musste, neben der Leitung des Kammerchores, innerhalb kürzester Zeit mit sehr verschiedenen Orgeln zurechtkommen. So erwarteten sie historische, pneumatische und mechanische Orgeln, mal ganz große mit 100 Registern auf vier Manualen verteilt, mal nur einmanualige, auf denen Werke von Karg-Ehlert, Reger und Schumann jedesmal ganz von Neuem klanglich beeindruckten. Höhepunkt war jedoch gewiss die Görlitzer Sonnenorgel mit ihren 88 Registern und allerlei zusätzlichem „Gezwitscher, Kuckucksrufen, Trommeln und Zimbeln“.
Auf der Reise wurden viele Orte natürlich auch besichtigt. Dabei erfuhren die Mitglieder des Chores so einiges über Umgebindehäuser in Obercunnersdorf, oder im Damast- und Frottiermuseum in Großschönau über die unglaublich aufwendige Arbeit, um Damast herzustellen. Ferner besichtigten die Sängerinnen und Sänger auch Orte wie Herrnhut, bekannt durch die gleichnamigen Sterne, und Bautzen, bekannt durch den dort hergestellten Senf. Dass beide Orte aber auch eine besondere Geschichte haben, erschloss sich erst durch den Besuch u.a. eines historischen Friedhofes in Herrnhut, auf dem viele Menschen, die zur Bruderschaft der Herrnhuter Gemeine gehören, begraben wurden.
In Bautzen gab es kein Konzert, aber eine besondere Stadtführung durch eine sorbische Fremdenführerin, die in ihrer Tracht viel von den Sorben in Bautzen erzählte. Ein spontanes Straßenkonzert vor einem sorbischen Restaurant zur Begrüßung der Restaurantchefin ließ auch Angestellte aus ansässigen Geschäften lauschen und anschließend wurde dem Chor kräftig applaudiert.
Im kleinen Ort Seifhennersdorf besichtigte der Chor die Piano- und Flügelmanufaktur Bechstein. In einer Führung wurden alle Schritte bis zur Fertigstellung eines Flügels oder Klaviers gezeigt. Am Ende konnte Frau Schad auf verschiedenen Flügeln spielen und dabei den unterschiedlichen Klang der „baugleichen“ Flügel zu Gehör bringen. Da wirklich noch viel von Hand gearbeitet wird, verwundert es niemanden mehr, dass diese Instrumente ihren Preis haben.
Ein schöner Höhepunkt war die Fahrt mit einer Schmalspurbahn von Zittau nach Oybin ins Zittauer Gebirge. Diese Bahn wird, historisch korrekt, von einer Dampflokomotive gezogen und die knapp einstündige Fahrt wurde zu einem besonderen Erlebnis.
Insgesamt war die Jubiläumsreise eine tolle Fahrt in eine Region Deutschlands, die vielen Chormitgliedern zuvor unbekannt war. Dabei gab es immer wieder Begegnungen mit vielen, sehr freundlichen Menschen und überall überaus dankbare Zuhörerinnen und Zuhörer, die gern den Jubiläumskonzerten lauschten.
Bericht: Katja Asmussen