Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.
Wer kennt es nicht, dieses wunderschöne Lied von Paul Gerhardt. Viele sind verwundert, wenn sie erfahren, dass es im Gesangbuch steht – haben sie es doch für ein Volkslied gehalten.
Paul Gerhardt hat dieses Lied gedichtet, um mit der staunenden Beschreibung der Schönheit der Natur hinzuweisen auf den gütigen Gott, der es gut mit uns meint. Am Ende der Schöpfungsgeschichte steht: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut – das Lied „Geh aus mein Herz“ ist eine lange (immerhin 15 Strophen!) Auslegung dieses Satzes.
Heute aber höre ich Paul Gerhardts Lied nachdenklich. Die liebe Sommerzeit haben wir in diesem Jahr kaum erleben können – stattdessen Nachrichten von Unwettern mit Toten, Überschwemmungen, in anderen Teilen der Welt Hitze, Dürre und Flüchtlingsströme – alles Auswirkungen des Klimawandels. Lerchen und Nachtigallen werden immer weniger, da sie kaum noch Nahrung finden, denn die Insekten werden durch Insektizide vernichtet. Auch unverdrossene Bienenscharen und die edle Honigspeise, an denen Paul Gerhardt sich in seinem Lied freut, nehmen immer mehr ab. Die Bächlein rauschen nicht mehr, sondern überschwemmen ganze Gebiete in der Mitte und im Süden Deutschlands. Und in diesem Jahr wächst auch der Weizen nicht mehr mit Gewalt – die Bauern rechnen in einigen Regionen mit Totalausfällen bei der Ernte.
Paul Gerhardts Loblied über die Schönheit der Schöpfung und die Güte des Schöpfers höre ich heute als ein Mahnlied. Die Schönheit der Schöpfung können ja auch wir immer wieder entdecken, wenn wir mit offenen Augen durch die Welt laufen. Aber unsere Wahrnehmung wird getrübt durch die unaufhörlichen Hiobsbotschaften in den Medien über Katastrophen, Artensterben – oder auch betrügerische Autokonzerne, denen Gewinn über Umwelt und Gesundheit geht. Lassen wir uns von Paul Gerhardts Lied mahnen, dass es unser aller Auftrag und unsere Verantwortung ist, diese wunderschöne Schöpfung zu bewahren, damit auch unsere Kinder und Enkel in einer Welt leben, in der sie mit Paul Gerhardt singen können:
Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen,
aus meinem Herzen rinnen.
Michael Großkopf, Kirchengemeinden Petrus und Matthäus
Gefängnisseelsorger