Brot, Wein und Thesen: Reformationsjubiläum eröffnet

Nachricht 27. Januar 2017

Am 12. Januar wurde der Veranstaltungsreigen zum Reformationsjubiläum feierlich eröffnet. Wie spannend die Zusammenarbeit mit der historischen Gesellschaft und Frau Dr. Julia Kahleyß ist, zeigte sich bereits klar an diesem ersten Abend. Den Hauptvortrag hielt Prof. Dr. Arnd Reitemeier, Historiker der Universität Göttingen. Sein Thema lautete »Dat word goides sall men predicken rein und klaer«.

Es war sehr spannend, die Einführung der Reformation in Norddeutschland aus der Sicht eines Historikers zu hören. Auch wenn man aus theologischer Sicht über das Verständnis der Priesterschaft aller Gläubigen hätte streiten können, hat er in einer hervorragend vorgetragenen Darstellung zeigen können, wie die vielen einzelnen Reformationen bei uns im Norden immer wieder machtpolitische und finanzielle Aspekte hatten und oft genug die religiöse Frage gar keine Rolle mehr spielte. Zum Beginn sprach Stadtrat Michael Frost ein Grußwort, in dem er die Bedeutung der Reformation für Kirche und Gesellschaft hervorhob und seine Freude zum Ausdruck brachte, dass eine so große Zahl und Vielfältigkeit an Aktivitäten und Veranstaltungen in diesem Jahr angeboten würde, die in diesem Jahr von den verschiedensten Seiten die Reformation beleuchten und erinnern. Er betonte im Namen der Stadt, dass dieses Jubiläum ein gemeinsames Anliegen und auch eine gemeinsame Aufgabe für uns heutige sei, in dem wir fragen, wozu die Impulse von damals heute anstoßen und befähigen können. Diesen Faden nahm Superintendentin Wendorf-von Blumröder in ihrem „Wort zur Gegenwart“ auf. Dabei nahm sie Bezug auf die erste These Martin Luthers:

„Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.“

Es war ihr und dem Vorbereitungsteam sehr wichtig, dass das Reformationsjubiläum nicht bei der Betrachtung der Geschichte bleibt, sondern immer auch ein solches Wort zur Gegenwart haben wird. In monatlichen Abständen wird diese Reihe das ganze Jahr über fortgesetzt.

Die Eröffnung in der sehr gut besuchten Pauluskirche hat allen viel Freude gemacht. Der Abend klang aus bei Wein und Brot. Dabei kam der wiedergefundene 30 Jahre alte Wein aus dem Kirchenkreisamt zum Einsatz. Alter Abendmahlswein, der irgendwie in Vergessenheit geraten war und nun vor dem Umbau des alten Amtes beim Leerräumen gefunden wurde. Er war recht süß und schwer geworden, aber das tat der fröhlichen Stimmung nun gerade keinen Abbruch.

Es ist sehr schön, dass wir hier miteinander deutlich machen, dass dieses Jubiläumsjahr nicht die Trennung feiert. Gemeinsam mit Politik und allen anderen Kirchen erinnern wir an die Kraft der Reformation, die es damals schaffte Kirche und Gesellschaft zu erneuern.

S. Ritter

Prof. Dr. Arnd Reitemeier

Warum eigentlich Thesen?

Luthers 95 Thesen wurden am 31. Oktober 1517 zum ersten Mal in Umlauf gebracht - dieser Tag gilt damit als die Geburtsstunde der Reformation. Wie diese erste Veröffentlichung der Thesen vor sich ging, ist nicht ganz klar. Ob es einen Thesenanschlag gab, ob Luther seine Thesen also wirklich an der Tür der Wittenberger Schlosskirche befestigt hat, ist unsicher. Erst nach Luthers Tod wird das erste Mal davon berichtet. Vielleicht hat Luther seine Thesen zunächst nur in kleinerem Kreis verbreitet: Der Bischof bekam sie zugeschickt und der Erzbischof und evtl. Luthers Kollegen. Es ging Luther um eine Diskussion der Thesen, das ist auf jeden Fall sicher.

Wie auch immer es war - die 95 Thesen waren auf Latein verfasst und enthielten 95 Sätze, mit denen Luther gegen den Ablasshandel vorgehen wollte. Hinter dem Ablasshandel steckte die Idee, Gläubigen zu versprechen, dass sie von ihren Sünden freikämen, wenn sie einen entsprechenden Geldbetrag an die Kirche zahlten. Luther wollte herausstellen, wie unverantwortlich der Ablasshandel war.

Luther wollte also auf Strukturen aufmerksam machen, die zu falscher Sicherheit führten. Die Sicherheit, die man den Menschen mit dem Ablasshandel vermitteln wollte, konnte es so nicht geben. Für Luther war es so, dass der Mensch keine Vermittlung durch andere Menschen, auch nicht durch den Papst, braucht, um mit Gott in Beziehung zu kommen. Die 95 Thesen kündigten insofern schon die Themen an, die zu den wichtigsten Themen der Reformation wurden: die Themen Glaube und Freiheit.

Und die 95 Thesen haben damit auch Berührungspunkte mit Themen, die für uns im Jahr 2017 von großer Bedeutung sind. Keine Frage - unsere Zeit und Luthers Zeit sind völlig verschieden, und alles, was Luther geschrieben und gesagt hat, hängt mit den Umständen seiner Zeit zusammen. Luthers Lösungen für Probleme der damaligen Zeit können nicht so einfach Lösungen für heutige Probleme werden, aber die Berührungspunkte können Hinweise auf mögliche Lösungen sein. Dass Religion untrennbar mit Freiheit verbunden ist und für die Freiheit eintreten muss, ist auf jeden Fall ein wichtiger Gedanke - gerade in einer Zeit, in der in den Medien immer wieder von religiösem Fanatismus berichtet wird. Und auch beim Thema Fake News gibt es Berührungspunkte: Öffentliche Meinungsäußerung ohne Verantwortung geht an der Wirklichkeit vorbei.

Die Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum in Bremerhaven werden von beschreibbaren Thesenwänden begleitet. Sie sind herzlich eingeladen, ihre Gedanken und ihre Meinungen zu den Veranstaltungen und zum Thema Reformation auf diesen Thesenwänden festzuhalten. Wenn Sie uns zwischendurch eine These zukommen lassen möchten, können Sie das gerne tun: per E-Mail an sebastianritter[at]t-online.de oder an malte.plath[at]evlka.de. Wir freuen uns auf Ihre Einfälle!

M. Plath

 

Informationen zu den Bremerhavener Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum finden Sie im Flyer, der in allen Gemeinden ausliegt, und auf den Seiten der Stadt Bremerhaven zum Thema.