Alles trägt den einen Namen
Meine Kaffeetasse steht vor mir auf dem Tisch. Ich schaue sie an und denke: „Nee, das wird nix.“ Nicht in hundert Jahren. Auch nicht in tausend. Oder in hunderttausend. Niemals wird meine Kaffeetasse lebendig. Auch der Tisch auf dem sie steht, nee, der auch nicht. Was man sich manchmal für Gedanken macht. Ich schaue mich um. Computer. Lampe. Heizkörper. Fensterglas. Meine Brille. Tot. Nicht gestorben, sondern schon immer tot. Daneben ich. Und die Zimmerpflanze. Und die Mücke, die hier reingeflohen ist, vor der Kälte draußen. Wir leben. Worin liegt eigentlich der Unterschied? Vielleicht ist es der Stoffwechsel, den meine Kaffeetasse irgendwie nicht hat, die Mücke und ich aber schon. Aber wir beide sind stofflich, die Tasse und ich. Bestehen aus Materie. Der eine mit, die andere ohne Stoffwechsel.
Ich konnte es nie verstehen, wie das Leben hier auf die Erde gekommen ist. Nach einem donnernden und überheißen Urknall müsste alles, aber auch wirklich alles, was hätte leben können, erledigt gewesen sein. Vorher, im Schwarzen Loch unendlich verdichteter Materie, war an Leben sicherlich auch schon nicht zu denken.
Also: Nach dem Urknall lebte nichts. Auch nicht auf der Erde. Ich glaube, darüber besteht wissenschaftliches Einvernehmen. Aber jetzt lebt und krabbelt und wimmelt es auf der Erde. Vielleicht ja auch noch irgendwo anders. Seltsam. Das kann eigentlich nicht gehen, oder? Und doch ist es so.
Gerade habe ich begonnen das Buch zu lesen „Alles trägt den einen Namen“. Verfasser ist der Franziskanermönch Richard Rohr aus den USA. Ich bin erst ganz am Anfang des Buches und habe noch nicht viel verstanden. Aber ein neuer Gedanke hat mich bereits gestreift, durch das Buch: Gott ist von Beginn an in seiner Schöpfung inkarniert (inkarnieren = Fleisch werden, greifbar werden). ER ist nicht nur in allem. Gott ist Alles oder Alles ist Gott. Alles trägt den einen Namen: Seinen.
Wie gesagt, ich muss noch weiterlesen. Und freue mich schon drauf. Auf jeden Fall habe ich schon mal begonnen, neu zu sortieren: Wenn Alles Gott ist, dann ist alles lebendig. Nichts ist tot. Meine Kaffeetasse muss also gar nicht lebendig werden, sie ist längst Teil alles Lebendigen. Und nach dem Urknall war nichts tot, sondern es lebte alles längst.
Das Leben auf der Erde ist nicht aus der Materie selbst heraus zu erklären, da bin ich sicher. Sondern nur aus dem, was hinter der Materie steckt. Es muss eine im wahrsten Sinne geistliche Erklärung geben, oder? Ja, und da leuchtet dieser alte Satz ganz hell und wahr: „Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“ (1. Mose 1,2)
Dietmar Meyer, Pastor in Dionysius-Lehe