„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde ...“ (Prediger Salomo 3,1) Analog hat seine Zeit, digital hat seine Zeit.
Wie ist das mit Gott: analog oder digital?
Eigentlich könnte ich sagen: weder, noch. Denn Gott ist doch jenseits von allem. Weder analog diesseitig noch digital diesseits, sondern eine total andere Liga - jenseits eben.
Aber wenn ich den Vergleich wagen würde?! Die Menschen früherer Zeiten haben Gott ja auch mit etwas aus ihrer diesseitigen Welt verglichen. Wie in den Psalmen: „mein Hirte“, „mein Fels“, „König“. Wenn ich also den Vergleich wage, sage ich eher: Gott ist digital.
Weil irgendwie mit allem vernetzt. Und unsichtbar. Die digitalen Informationen fliegen ja auch quasi unsichtbar durch die Luft und durch Wände hindurch. Das passt doch irgendwie zu dem Unfassbaren über uns.
Auf der anderen Seite aber ist Gott in Gestalt von Jesus, so die christliche Botschaft, total analog geworden, ein Mensch, physische Präsenz, aus Fleisch und Blut. Und zu seinem Zeichen wurde ausgerechnet das Kreuz, an dem er hingerichtet wurde. Ein Gerät von äußerster physischer Brutalität.
Aber es setzte sich durch und wurde zum Erkennungszeichen der Christ:innen, unser Logo. Was für eine Verwandlung! Keine Digitalisierung zwar, aber immerhin ist das Kreuz von den zwei ursprünglichen echten großen Holzbalken zu einem Symbol geworden. Kirchenausstattungsstück, Kettenanhänger, Tattoo. Zeichen des Segens, das wir durch die Luft schicken können. Ist ein digital empfangener Segen eigentlich wirksam?
Eine Frau erzählte mir von ihrem verstorbenen Mann. Der habe jeden Morgen beim Aufstehen das Kruzifix neben dem Bett berührt. Nur nebenbei, im Vorbeigehen. Aber jeden Morgen. Sie hatte keine nähere Erklärung dafür. „Es war ihm halt wichtig ... er war früher mal katholisch ...“
Ich fand dieses Ritual zunächst nur interessant. Ja, auch faszinierend. Mittlerweile bin ich selbst zu einem gelegentlichen Kreuzberührer geworden. Nicht durch die Luft, nicht digital, sondern analog, physisch: Hand an Holz.
Ich habe keine Erklärung dafür.
Matthias Schäfer