Monatsspruch für März 2018:
Jesus Christus spricht: Es ist vollbracht! (Johannes 19,30)
Kürzlich hörte ich im Radio eine Andacht, in der der Kollege Spekulationen von Jugendlichen wiedergab, was Jesus heute machen würde. Würde er twittern? Ganz bestimmt. Bei Twittern muss ich immer an den amerikanischen Präsidenten denken, aber Papst Franziskus twittert auch ständig und großartig und mit einer unvorstellbaren Anzahl von Followern. Und würde er statt auf einem Esel mit einem coolen Auto fahren? Oder eher auf einem Roller daherkommen? Vermutlich würde er eher auf einem alten Fahrrad daherkommen, oder?
Das sind schöne Überlegungen, die uns Jesus in unsere Zeit holen wollen. Aber es sind eher Fragen für uns, was wir als Christinnen und Christen heute tun oder besser lassen sollten. Dabei kann uns am Meisten helfen, uns darauf zu besinnen, was Jesus wirklich getan hat. Wie er (mit einer Ausnahme immer zu Fuß oder per Fischerboot) zu den Menschen gegangen ist, um ihnen von Gottes Liebe zu erzählen.
In den Wochen vor Ostern, an Karfreitag und Ostern selbst gehen wir das Ende seines Weges in unseren Gottesdiensten mit. Mit einer Reisegruppe bin ich im Januar diesen Jahres viele dieser Wege in Israel nachgegangen. Wir standen am Haus des Petrus, fuhren über den See, standen unter dem Baum in Jericho, auf dem Zachäus gestanden haben soll, waren auf den Hirtenfeldern in Bethlehem und gingen hinauf nach Jerusalem. Dort in Jerusalem ging wir den Leidensweg Jesu nach, die sogenannte via dolorosa, und waren dann am Stein Golgotha in der Grabeskirche.
Nach dem Johannesevangelium sagte er genau dort als letztes Wort am Kreuz: „Es ist vollbracht!“ Diese drei Worte sind der Monatsspruch für diese Passionswochen im März.
Warum sagt er das? Das Kreuz ist nicht das Ende. Hätte dieses Wort nicht eher in den Mund des Hauptmanns gehört? Nein, Jesus spricht dieses Wort. Denn in dem Tod am Kreuz kommt sein Weg in unsere Welt zu seinem Ziel. Am Kreuz hängend wirkt er wie ein machtloses Opfer weltlicher Gewalt. Diejenigen, die ihn dorthin gebracht hatten, meinten, dass sie gewonnen hätten. Doch das war nur der äußere Schein. Jesus hatte den Menschen Gott Vater zeigen sollen, seit er auf die Welt kam. In ihm wurde uns Gott Mensch, damit wir erkennen sollten, wie nahe er uns ist und wie lieb er uns hat. So ist Jesus zu den Menschen gegangen, hat mit solchen Sündern wie Zachäus gegessen und vielen Menschen von Gottes Liebe erzählt. Nun in seinem Leiden, der Folterung und Misshandlung ist er allen Opfern von Gewalt so nahe gekommen, wie es nur geht. Den Kriegsopfern in Aleppo oder Afrin, der Frau, die geschlagen und klein gemacht wird, dem misshandelten Kind. Er zeigt damit die Liebe Gottes, die mit ihnen mitleidet. Wussten Sie, dass Sympathie „mit-leiden“ bedeutet? Ein sympathischer Gott, der sich selbst in den Tod gegeben hat. Im Leid kann man fragen: „Wo ist Gott?“ Seine Antwort: „Dort am Kreuz“!
Im Tod am Kreuz ist er nun ganz Mensch, stirbt auf entsetzliche Weise, und doch so, wie wir alle einmal sterben müssen. Seitdem ist nicht einmal mehr der Tod ein Ort, an dem er nicht ist.
Bis ans Kreuz legt er Zeugnis ab von der unendlichen Liebe Gottes, indem er sein Leben hingibt und dem Hass und der Gleichgültigkeit der Menschen zum Opfer fällt. In dieser großen Geduld, mit der Jesus dies alles ertrug, wird noch einmal die Liebe Gottes spürbar, die selbst seinen Feinden galt. Darum konnte er mit Recht sagen: „Es ist vollbracht“. Für mich klingt in diesen Worten auch große Erleichterung mit. Geschafft, nun darf er nach furchtbarem Leiden nach Hause.
Der Karfreitag ist für mich immer ein sehr schwerer Tag, weil ich mich dieses Opfers nicht würdig fühle.
Nun, was du, Herr, erduldet, / ist alles meine Last; / ich hab es selbst verschuldet, / was du getragen hast. / Schau her, hier steh ich Armer, / der Zorn verdienet hat. / Gib mir, o mein Erbarmer, / den Anblick deiner Gnad. (O Haupt voll Blut und Wunden, Str. 4)
Und doch: Gott hat das anders gesehen, was mich immer wieder erstaunt. Wir waren und sind es ihm wert gewesen. Und trotzdem ich am Karfreitag immer schwer trage, fühle ich mich an keinem Ort dieser Liebe Gottes so nahe wie beim Stein Golgotha, wo ich im Januar wieder stehen durfte. Der Liebe Gottes fühle ich mich nirgends so nahe wie in der Grabeskirche oder wo auch immer dieses Wort gepredigt wird.
Pastor Sebastian Ritter