Diakonin Dorothea Warnecke, Krankenhausseelsorgerin im St. Joseph-Hospital
Gespannt bin ich schon. Wer ist Frau Warnecke?
Ja, sie ist Diakonin und Krankenhausseelsorgerin.
So jedenfalls steht es im Telefonverzeichnis des St. Joseph-Hospitals. Der Mensch hinter diesen Titeln erschließt sich dann erst im Gespräch. Sie ist freundlich, hört aufmerksam zu, spürt den Zwischentönen nach und überlegt sorgfältig, bevor sie antwortet. Eine angenehme Gesprächspartnerin. Seit dem September 1995 ist Diakonin Dorothea Warnecke Krankenhausseelsorgerin im St. Joseph- Hospital und mit der Klinik durch Dick und Dünn gegangen.
Da bereitet es ihr schon Sorge, wenn die Klinik nun zum wiederholten Mal den Träger wechselt. Sie fühlt Frustration und Erschöpfung beim Personal. „So kann es nicht weitergehen…“. Sie schaut ein wenig traurig. Auf ihre Arbeit angesprochen, kommt Freude auf. Ja, sie hat ihre Arbeit gern gemacht.
Auch wenn sie als „Krankenhausseelsorgerin“ zunächst auf die reine Sterbebegleitung reduziert wird. „Aber“, so sagt sie, „jede Erkrankung ist eine Krise, mit der die Patienten erst einmal klar kommen müssen“. Da sitzt sie dann auch schon einmal am Bett eines Patienten mit einem Beinbruch, der eine solche Krise durchlebt, weil plötzlich alles nicht mehr so funktioniert. Und sie erlebt einen Luxus, den das Pflegepersonal nicht mehr hat: sie ist in der glücklichen Lage, sich Zeit nehmen zu können.
Zeit für Gespräche mit den Patienten. Zeit aber auch für Gespräche mit den Angehörigen. Zeit für die Mitarbeit im Palliativteam. Zeit aber auch für Gespräche mit den Mitarbeitern der Klinik. „Da kommt so einiges“, deutet sie knapp an. „Und was tun sie dann?“, frage ich, „wie verstehen sie ihren Auftrag?“. „Es sind verschiedene Aufgaben“, sagt sie nach kurzem Überlegen. „Es ist natürlich Begegnung und Zuwendung. Dann ein Stück weit Begleitung und das Anbieten von Gesprächen. Und nicht zuletzt auch, wenn es gewünscht wird, Wegweisung. Daraus setzt sich die Krankenhausseelsorge zusammen.“
Sie überlegt. „Wissen sie, das ist wie bei einem Puzzle, das auseinandergebrochen ist. Da helfe ich den Patienten und Angehörigen, die Teile ihres Lebens wieder zusammen zu setzen, so dass sich wieder ein Bild ergibt. Da suchen wir nach einzelnen Fragmenten und sehen, wie sie zusammen passen“. „Und aus der innerlichen Distanz ist dann das ganze Bild zu sehen?“, frage ich nach. „Ja“, sagt sie, „so könnte man das darstellen. Und, wissen sie, unsere Patienten sind gerade in belastenden Situationen sehr wortgewandt und kreativ.“
Und dann liest sie ein paar Formulierungen von Patienten vor, die ihre Situation sehr bildhaft beschrieben haben. Da bezeichnet sich ein schwer kranker Patient als „Krankenhaus-Wartesaaltourist“ und weiß, dass „der Chef da oben schon wartet“. Ein anderer formuliert: „Würden immer nur die sterben, die wir nicht mögen, könnten wir nicht lernen“.
Und schließlich ein weiterer: „Ich weiß nicht, wann meine Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist. ‚Der da oben’ wird mir sagen, wann es so weit ist.“ Die nächste Frage kommt fast automatisch nach dem Hören dieser eindrucksvollen Formulierungen: „können sie abschalten? Verfolgt sie das, was sie am Tage hier erleben?“ Sie lächelt. „Nein, ich kann ganz gut abschalten. Ich bin gern am Deich!“ So deutet sie ihre Entspannung an.
Bremerhaven eben… Darüber hinaus besucht sie gern Kulturveranstaltungen aller Art. Auf die Frage, welche Aufgaben die Krankenhausseelsorge noch wahrnimmt, erwähnt sie das Ethikkomitee. Dort geht es um den sinnvollen Umgang mit lebensverlängernden Maßnahmen. Und Sie hat die „grünenDamen begleitet. Als Angestellte des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises ist sie eingebunden in die monatlichen Konferenzen und trifft sich wöchentlich mit Pastor Martin von der Brelje, dem Krankenhausseelsorger aus Reinkenheide. Beteiligt ist sie auch an der Ausbildung von Hospizhelfern. Dann kommt sie auf die tägliche Arbeit im St. Joseph-Hospital zurück und erwähnt dankbar die ökumenische Zusammenarbeit mit Sr. Cäcilia seit dem Jahr 2006.
Ja. Und dann frage ich sie, was sie denn für die Zeit des Ruhestands geplant habe. Sie wirkt sehr ernst, als sie mir in die Augen sieht und sagt: „Ich plane nicht. Ich lebe!“ Und ich habe den Eindruck, dass sie es ganz bewusst tut. In der Stadt, in der sie, wie sie sagt, gern wohnt. In Bremerhaven. Schließlich dann doch noch eine Frage: „Was wünschen sie dem Personal der Kliniken?“ Ihre Augen leuchten: „Ich wünsche allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alles Gute und Gottes Segen!“ Ich gehe aus dieser Begegnung. Nachdenklich. Beeindruckt. Und dankbar.
Am 19. Mai ist die Verabschiedung im St. Joseph-Hospital und am 28. Mai die feierliche Verabschiedung mit „Entpflichtung“ in der Pauluskirche in Bremerhaven.
Wolfgang Adomeit