Aufhebung Friedhofszwang

Nachricht 25. April 2014

Friedhofsexperte Sörries warnt vor Urne auf dem Kaminsims

Bericht über die Veranstaltung des Kirchenkreises in der Marienkirche

Bremerhaven (epd). Der Theologe und Kunsthistoriker Professor Reiner Sörries sieht die geplante Aufhebung des Friedhofszwanges im Land Bremen aus mehreren Gründen kritisch. Auf die Angehörigen könnten psychische Probleme zukommen, auf Kommunen und Kirchen als Träger herkömmlicher Friedhöfe finanzielle Schwierigkeiten, warnte am Dienstagabend der Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur bei einer Diskussion in Bremerhaven. Bremen will als erstes Bundesland ermöglichen, dass Angehörige die Urne mit der Asche eines Verstorbenen in Zukunft zu Hause aufbewahren dürfen.

Würde der Friedhofszwang in Bremen fallen, wäre das nach Einschätzung des Kasseler Experten ein Dammbruch. "Friedhofskulturell guckt die ganze Republik nach Bremen", bekräftigte Sörries. Doch wer die Urne seines Angehörigen auf dem Kaminsims im Wohnzimmer aufbewahre, könne möglicherweise schwerer loslassen. "Die Distanz zum Toten ist wichtig. Die Grabstelle auf dem Friedhof erlaubt, Nähe und Distanz selbst zu bestimmen."

Geschichtlich sind Friedhöfe nach Angaben des Museumsdirektors auch die Errungenschaft einer solidarisch denkenden Bürgergemeinschaft, die kollektive Trauer ermöglichen wollte. Wenn die Urnen zu Hause aufbewahrt würden, schränke das den Zugang zum Trauerort ein: "Das kann besonders für Patchworkfamilien schwierig werden."

Fällt der Friedhofszwang, müsste nach Einschätzung von Sörries überdies die öffentliche Hand als Betreiber von Friedhöfen finanzielle Einbußen hinnehmen. Möglicherweise seien dann höhere kommunale Zuschüsse nötig, um die Gebühren nicht massiv ansteigen zu lassen.

Er selber wünsche sich den Erhalt der Friedhöfe. "Sie sind ein wichtiger Ort kollektiven Totengedenkens und ein sichtbares Zeichen der Endlichkeit in einer Welt, in der der Tod nicht vorkommen soll", betonte Sörries, der auch Geschäftsführer der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal ist.

Die Regierungskoalition in Bremen will den Friedhofszwang lockern und ermöglichen, dass Angehörige die Urne mit der Asche Verstorbener mit nach Hause nehmen können. Auch das Verstreuen in und außerhalb von Friedhöfen soll möglich sein. Im September vergangenen Jahres hatte die Bremische Bürgerschaft den Senat mit der Mehrheit der rot-grünen Regierungsfraktionen beauftragt, eine Novelle zur Lockerung des Bestattungsrechts auszuarbeiten, an dem die zuständige Behörde gerade arbeitet.

Die neue Regelung würde das aus dem Jahr 1934 von den Nationalsozialisten eingesetzte und in weiten Teilen noch bis heute gültige deutsche Feuerbestattungsgesetz zumindest teilweise aushebeln. Danach muss eine Urne mit der Asche des Toten zwingend sofort auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen wie Friedwäldern beigesetzt werden. (3042/23.04.14)

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Feuerbestattung - Infokasten

Bremen (epd). Das Bestattungsrecht ist in Deutschland grundsätzlich Sache der Länder. Was nach einer Feuerbestattung mit der Asche des Verstorbenen zu geschehen hat, regelten erstmals die Nationalsozialisten mit einem allerdings zentralen Reichsgesetz, das in weiten Teilen noch immer gilt. Demnach muss eine Urne mit der Asche des Toten auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen beigesetzt werden.

Die Nationalsozialisten wollten mit ihrem Gesetz ideologisch an die Traditionen der Germanen anknüpfen. Doch lange Zeit war die Feuerbestattung im christlich geprägten Europa verpönt. Karl der Große hatte sie um 800 verboten, in der Feuerbestattung sah er einen heidnischen Ritus. Sein Verbot hatte mehr als 1.000 Jahre Bestand, bis im Zuge der Aufklärung die Feuerbestattung aufkam.

1878 wurde in Gotha das erste deutsche Krematorium eröffnet, 1907 folgte in Bremen das erste Krematorium Norddeutschlands. Die Angehörigen durften damals mit der Asche des Verstorbenen noch tun und lassen, was sie wollten. Der Anteil der Feuerbestattung war um 1900 allerdings noch verschwindend gering. Inzwischen werden bundesweit mehr als die Hälfte der jährlich etwa 850.000 Verstorbenen eingeäschert.

Die evangelische Kirche änderte ihre kritische Haltung zur Feuerbestattung in den 1920er Jahren, die römisch-katholische Kirche brauchte länger. Für sie galt die Feuerbestattung lange Zeit als "barbarische Sitte" und war verboten. Die sterblichen Überreste von verbrannten Toten durften nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden, auch eine kirchliche Begräbnisfeier war untersagt. Es dauerte bis 1964, ehe das Heilige Offizium als oberste Glaubens- und Sittenbehörde der katholischen Kirche das kirchenrechtliche Verbot aufhob. (3061/23.04.14)

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