Aufgeregt und voller Vorfreude kommen zwanzig Kinder mit ihrer Lehrerin die Treppe herunter. In der einen Hand eine leere Flasche, in der anderen ein Brettchen und ein scharfes Messer. Heute ist Apfelsafttag. Einen Vormittag mal keine Mathematik und kein Deutsch. Lernen durch Erfahrung ist angesagt. Die Kinder kennen natürlich Apfelsaft aus dem Supermarkt im Tetra-Pak oder in der Flasche. Aber wie der Apfel in die Flasche kommt, bzw. wie aus ihm Saft wird, das weiß niemand.
Seit vielen Jahren begleite ich Grundschulkinder aus Bremerhaven bei diesem Apfelsaftprojekt. In diesem Jahr war ich in der Goetheschule. Und es ist jedesmal wieder eine Freude zu sehen, mit welcher Begeisterung sich die Kinder ans Werk machen. Zuerst die Äpfel waschen und kleinschneiden. Dann geht es an die Maschinen: Die Kinder dürfen an einer großen mechanischen Obstmühle die Äpfel kleinschreddern. Hier und da kommt ein herzhaftes „iiih“ aus den Mündern der Kinder, während die klebrige Masse in die darunterliegende Wanne fällt. Und im nächsten Moment fragen die gleichen Kinder „darf ich das mal anfassen?“. Die Neugierde hat gesiegt.
Als letzten Schritt dürfen die Kinder mit einer kleinen Futterschaufel die Korbpresse mit der Maische befüllen und die Presshölzer werden eingelegt. Und zwischenzeitlich immer wieder Fragen: Wofür ist der Presskorb und was soll dieser Beutel (Presssack)? Hast du die Maschine selbst gebaut? Ich muss leider nein sagen, obwohl mir das Kompliment schmeichelt.
Zwischenzeitlich hat sich der ganze Raum mit Duft von Äpfeln gefüllt. Jetzt ist „Power“ gefragt. Die große schwere Kurbel aus Gusseisen muss bedient werden, damit die Presshölzer die Maische zusammenpressen können und der Saft in den Eimer fließen kann. Große und kleine Kinder geben alles. Und wenn es alleine nicht geht, dann zu zweit. Auch die scheinbar besonders auffälligen, anstrengenden Schüler geben alles. Und tatsächlich: der Saft fließt in den Eimer, bis er fast gefüllt ist. Sie haben etwas geschafft, gemeinsam geschafft, mit ihren eigenen Händen. Es war anstrengend, aber es war gut. In diesen zwei Tagen haben drei Schulklassen 240 kg Äpfel zu 80 Liter Saft verarbeitet. Am folgenden Tag haben die Kinder den Saft in der Klasse zum ersten Mal probiert … und die Kinder sind stolz und glücklich. Diesen Tag werden sie nie vergessen!
Am kommenden Sonntag feiern wir Erntedank. Wenn ich solch ein Apfelsaft-Projekt mache, dann wird mir klar, dass wir nur Erntedank feiern können, wenn wir solche Erfahrungen machen können in unserem Leben. Dankbarkeit hat etwas mit echtem Erleben und Spüren zu tun.
Diakon Andreas Hagedorn
Leiter der Arbeitsstelle Religionspädagogik