„Ich glaube an Gott, aber dafür brauche ich die Kirche nicht.“ Viele Menschen sagen solche oder ähnliche Sätze und werfen damit eine berechtigte Frage auf. Wenn es Privatsache ist, woran ich glaube, dann muss es doch keine öffentliche Institution geben, in der der Glaube gelebt wird. An Gott glauben, zu ihm beten und in der Bibel lesen können wir doch auch allein. So überraschend es zuerst auch klingen mag. Ich denke, dass solche Einstellungen und Einsichten so verbreitet sein können, liegt an dem großen Erfolg evangelischer Theologie. (Mit nur einem Click lesen Sie mehr…)
Früher war das anders. Man ging davon aus, dass die Menschen ohne die Vermittlung der Kirche nicht zu Gott kommen könnten. Der Kirchenvater Cyprian hat im 3. Jahrhundert gesagt: „Wer die Kirche nicht zur Mutter hat, kann Gott nicht zum Vater haben.“
Auch wenn die Römisch-katholische Kirche dies in dieser Radikalität nicht bestätigt hat, ist erst in der Reformation wirksam vertreten worden, dass der Mensch keiner Vermittlung bedarf. Jeder von uns kann unmittelbar zu Gott beten.
Und deshalb stimmt es nach evangelischem Verständnis, dass ein Mensch um zu glauben erst einmal keine Kirche braucht. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es ist nämlich so, dass der Glaube zwar keine Folge der Kirche ist, aber die Kirche eine Folge des Glaubens. Denn christlicher Glaube führt immer in die Gemeinschaft. Im Alten Testament können wir lesen, was Jesus Christus später noch einmal betonen wird: Wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst.
Glaube ist also nicht nur eine Privatbeziehung zwischen mir und Gott, sondern ein Miteinander mit Gott und meinen Mitmenschen. Deshalb kann es christlichen Glauben ohne eine Gemeinde/eine Kirche nicht geben, weil Glaube in die Gemeinschaft führt.
Das heißt allerdings auch, dass wenn er zu einer Kirche führt, dann muss sie nicht unbedingt für alle Zeit genau unsere heutige äußerliche Institution Kirche sein. Über die Form können wir diskutieren, aber nicht über ihre sichtbare Existenz. Und so hat sich unsere Kirche auch immer wieder verändert bis hin zu dieser Kirche, zu der wir gehören.
Unsere Kirche mag Schwächen haben. Aber sie sorgt seit Jahrhunderten dafür, dass es in unserem Land christliche Gemeinden gibt. Ihre Mitglieder haben unsere Gesellschaft durch die Verbreitung von Bildung geprägt und durch die Diakonie dazu beigetragen, dass auch die Schwächsten unter uns Stimme und Hilfe haben.
Und zu guter Letzt: Kirche ist nicht nur die äußere Institution. Kirche sind wir alle, wenn wir uns zu ihr bekennen. Kirche wird sich vor Ort in unseren Stadtteilen nur so entwickeln, wie wir das tun. Wir alle können dazu beitragen, dass es eines Tages bei uns heißt: „Ich glaube an Gott und deshalb baue ich mit an seiner Kirche!“
Pastor Christian Schefe, Christuskirche