Andacht April 2015

08. April 2015

Es ist Osterzeit! Als ich vor vielen Jahren Konfirmand war, da empfahl uns unser Pastor, dass wir in der Zeit von Ostern bis Pfingsten uns doch als Christen mit dem alten Ostergruß grüßen sollten. Und so haben mein bester Freund und ich uns in der Schule immer begrüßt: „Der Herr ist auferstanden!“ und der andere antwortete: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Wir fanden das klasse, die Mitschüler fanden uns eher komisch.

Ostern erinnert uns an diese Botschaft der Auferstehung. Es tut gut, sich darin zu vergewissern und sie sich sagen zu lassen. Auch wenn man sich vielleicht nicht traut, sich damit auf der Straße zu begrüßen.

Es ist oft schwer zu glauben. Darum brauchen wir diese Erinnerung und Vergewisserung. Das Evangelium des Ostersonntags erzählt uns die Geschichte von den Frauen, die am Sonntag morgen in aller Frühe ans Grab gingen, um nach dem Toten zu schauen und dann hören, dass er auferstanden ist. Nun waren sie aufgebrochen, schon im Zwielicht der Dämmerung hatten sie wohlriechende Öle gekauft, um seinen Leichnam zu salben.

Was jetzt noch geht, ist Nachsorge, dem Leichnam Gutes tun. Die Trauer braucht ihren Ort. Blumen niederlegen, wo der Tod gesiegt hat, den Duft des Lebens aussenden, wenigstens einmal noch. Wo es nichts mehr zu retten gibt, sorgen sie sich doch um Leib und Leben.

Ein junger Mann in einem weißen Gewand sitzt dort und sagt ihnen die frohe Botschaft. Aber die drei Frauen bekommen Angst. Ja, ursprünglich endete damit sogar das Markusevangelium: „Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.“

Zum Glück haben sie später ihre Meinung geändert und doch davon erzählt. Aber zuerst hatten sie nicht vor dem Tode Angst, sondern vor der Auferstehung. Ein solches Erschrecken kann auch uns passieren. Bei einer Beerdigung vor vielen Jahren, es war der Vater eines lieben Freundes, der viel zu jung mit Mitte 40 verstorben war, passierte uns solch ein Entsetzen. Die Kirche war voll, viel Kurioses war dabei, er war Anwalt in Hannover gewesen und hatte viele Zuhälter verteidigt. So waren diese Klienten zahlreich mit Anhang erschienen. Wir hatten viel zu schauen, aber waren auch voller Trauer. Doch dann entdeckten wir einen Mann, das war doch der Verstorbene – die Haare, die Körperhaltung und dann dreht er sich um, genau das Gesicht! Ist er das? Ein tiefes Erschrecken durchzuckte uns. Das kann doch nicht wahr sein! – Später erfuhren wir von unserem Freud, dass er wusste wen wir meinen, er war kein Verwandter, aber dem Verstorbenen sehr sehr ähnlich, so dass sie schon oft verwechselt worden waren. Es war auch nur ein Moment des Entsetzens bei uns. Doch dieser eine Moment hatte genügt. Das war keine Auferstehungserfahrung, beileibe nicht! Wir sahen ja nur Gespenster. Tief erschüttert wurde für einen Moment unser Verständnis der Wirklichkeit. Solche Erlebnisse habe ich seither öfter von Angehörigen gehört, man geht über die Straße und denkt: „Da ist sie doch. Nein, das kann ja nicht sein.“

Die Botschaft von Ostern verstört, weil sie unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit widerspricht. Doch Ostern sagt uns, dass es nur an unserer Wahrnehmung liegt. An der Fähigkeit unserer Augen, die noch an das Hier und Jetzt gebunden sind und noch nicht hinüberschauen können. Gottes Wirklichkeit ist sehr viel weiter und reicht über diese Grenze weit hinaus. Damit wir das begreifen, ist Jesus für uns auferstanden.

Als Pastorinnen und Pastoren haben wir oft mit Tod zu tun. In der Begleitung Trauernder und bei der Beisetzung Verstorbener müssen wir uns immer wieder der Macht des Todes stellen und von Ostern reden. Ich spüre die Macht des Todes dabei sehr genau, aber die Osterbotschaft ist doch in mir stärker.

Im vergangenen Jahr habe ich einen Mann begleitet bis zu seinem Tod, der ohne Entsetzen gegangen ist. Es war eine recht ungewöhnliche Sterbebegleitung, weil er mich selbst anrief und mir dann auch selbst die Tür aufmachte. Aber er hatte wirklich nur noch wenig Zeit. Ich habe ihn mehrfach besucht. Und beim letzten Besuch haben wir uns in die Arme genommen und uns versichert, dass wir uns wiedersehen bei Gott.

Er hatte keine Angst, auch wenn wir zusammen geweint haben. Er war schon monatelang schwer krank und die Ärzte hatten ihn mehrfach zurückgeholt. Dreimal war er schon klinisch tot gewesen. Darum sagte er mir: „Ich habe keine Angst, ich war ja schon dreimal da.“ Nimmt uns das unsere Zweifel? Nein, wir fangen an zu argumentieren, dass man das ja doch irgendwie erklären kann. Aber zu erleben, wie ruhig er in den Tod gegangen ist nach einem langen und guten Leben, das mindert die Zweifel massiv.

Wir brauchen solche Vergewisserung, Menschen, die uns diese Botschaft sagen: Dass Jesus auferstanden ist und auch wir einst mit ihm leben werden.

Ich will jetzt keine Religionsvergleiche anstellen, mögen manche den siebten Himmel bei Mohammed besser finden mit dem ganzen Orgasmus. Ich ziehe Gottes Liebe vor. Mögen manche meinen, wir müssten immer wieder geboren werden, immer wieder neu. Ich beginne zu begreifen, dass Gott mein individuelles Leben so schätzt und liebt, dass er es nicht enden lässt. Von Wolf Biermann stammt der Satz: Die Auferstehung ist die härteste Währung auf dem Markt, wo Hoffnung gehandelt wird. Was für ein toller Satz.

Es ist hart. Es widerspricht aller unserer Wirklichkeitserfahrung, da kann einen schon das Entsetzen packen. Aber es ist die härteste Wahrung, die die bleibt.

Das Leben hat bei Gott das letzte Wort. Und es ist ein ewiges Wort.

Frohe Ostern!

Pastor Sebastian Ritter

 

Markus 16, 1-8:

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander:

Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen:

Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.