Sonntags um 11 Uhr öffnet das Eiscafé gegenüber der Pauluskirche seine Türen. Manchmal auch früher. Die Tische stehen draußen. Die Sonne scheint den Menschen ins Gesicht. Der Baum wirft Schatten. Der Blick richtet sich auf die Kirche und das Blumenbeet, das jetzt im Frühherbst seine ganze Pracht zeigt.
Der Gottesdienst geht zu Ende, die Tür geht auf, ich stelle mich raus zum Verabschieden. Manchmal singen wir draußen dann ein Lied. Noch eines, höre ich zuweilen. Ja, das Singen vermissen viele. Und dann sehen wir schon, wie drüben die Tische nach draußen gerückt werden, die Stühle gestellt. Die große Kunststoffeiswaffel vor dem Eistresen platziert wird.
Als wir wieder zum Gottesdienst einluden und die Eiscafés aufmachten, öffneten wir das Kirchencafé gar nicht erst wieder und gingen sonntags nach dem Gottesdienst rüber ins Eiscafé: Cappuccino trinken oder Spaghettieis essen. Wir verteilten uns an den Tischen. Meist hatten wir bisher Glück mit dem Wetter und konnten draußen sitzen.
Und jetzt wo wir unser Kirchencafé am Mittwoch und Samstag zur Marktzeit wieder geöffnet haben, wollen wir von der neuen Sonntagstradition nicht wieder lassen.
Mit diesem Losungswort des Propheten Jeremia ist in diesem Jahr der Oktober überschrieben. Das Beste suchen für die Stadt, für die Menschen einer Stadt. Die Hafenstraße, an der unsere Kirche liegt, ist ein Mikrokosmos an Stadt. Ich kann sie gar nicht alle zählen, die verschiedenen Geburtsländer und Kulturen, aus denen die Menschen kommen oder aus denen ihre Mütter und Väter zuwanderten. Mit Wurzeln in Deutschland, Portugal, Bulgarien, der Türkei, Italien, Kroatien, Afghanistan, Großbritannien, Syrien usw. leben Menschen in Lehe. Sie sind Christen, Muslime, Atheisten, sprechen in den vielen Sprachen der Welt. Das Bedürfnis, zusammen zu kommen, miteinander zu reden beim Kaffee, kennt ein jeder. Und so sitzen am Sonntagmorgen neben uns aus der Kirchengemeinde bulgarisch sprechende Männer beim Kaffee; daneben die deutsche Familie, die sich sonntags zu Cappuccino und Tiramisu verabredet; die kleinen Kinder, die auf den Stufen vor dem Eistresen stehen und versuchen, einen Blick auf die Eissorten zu erhaschen.
Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum HERRN; denn wenn´s ihr wohlgeht, so geht´s euch auch wohl. (Jeremia 29,7)
Der Prophet Jeremia richtete diesen Vers an die Weggeführten seines Volkes. Von den Siegern wurden die führenden Schichten Judas nach Babel verschleppt. In der ihnen fremden Stadt, die sie nicht freiwillig gewählt hatten, mussten sie leben. Weggeführte, Heimatsuchende, Fremdelnde. Jeremia forderte sie auf, sich in der Stadt einzubringen, für die Stadt zu Gott zu beten. So - würde ich aus heutiger Sicht ergänzen - würden sie sich wertvoll und geschätzt fühlen, Heimat finden, ankommen, sich nicht mehr so fremd und verloren erleben.
Wir beten auch oft am Sonntagmorgen in der Pauluskirche für die Menschen der Stadt: für die Menschen unserer Stadt Bremerhaven. Wir finden Ruhe und Gemeinschaft in der Kirche, in der wir uns sonntags versammeln, um zum Gott Israels und dem Vater Jesu zu beten. Und danach gehen wir raus in die Stadt, dort wo wir leben, treffen auf andere, die dort leben. Als kleine Gottesdienstgemeinschaft werden wir Teil der Stadtgemeinde. Uns geht es sehr wohl dabei. Neben so manchem Verlust und den manchmal nicht leichten Veränderungen durch die Corona-Pandemie ist das ein Gewinn, für den wir dankbar sind. Erntedank im anderen Gewand.
Pastorin Andrea Schridde, Ev.-luth. Michaelis- und Pauluskirchengemeinde