Manchmal tut es gut, wenn man Fremdes, Neues kennen lernt und von daher mit einem anderen Blick auf das Vertraute und Bekannte schaut. So mag es einem gehen, wenn man länger im Ausland lebt und von daher kritisch oder auch positiv das eigene Land neu in den Blick nimmt. So geht es mir im Blick auf unseren christlichen Glauben bei der Beschäftigung mit anderen Religionen in einem Seminar, das ich z. Zt. halte. Die Auseinandersetzung mit anderer Religion fordert dazu heraus, den eigenen Glauben in seinem zentralen religiösen Gehalt in den Blick zu nehmen – ich entdecke dabei immer wieder die Stärke und Wahrheit des Christentums.
Die asiatischen Religionen wie Hinduismus und Buddhismus glauben ja an die Reinkarnation – daran, dass wir nach diesem Leben in immer neuen Lebewesen wieder geboren werden – und zwar je nach unserem Lebenswandel in höher oder niedriger wertigem Leben. Eine Vorstellung, die auch bei uns viele Anhänger findet. Wir Christen glauben ja wie die Muslime daran, dass auf das eine irdische Leben, wenn, dann ein ewiges Leben folgt. Viele aber fühlen sich offenbar von der Idee angezogen, dass man im Laufe seiner Existenz unterschiedliche Leben – als Tier, als Mensch – durchschreitet. In der Vorstellung ihrer westlichen Anhänger erscheint dabei die Reinkarnation als eine Verheißung für das Leben nach dem Tod. Vielleicht nach dem Motto: Es ist bereichernd, vieles einmal auszuprobieren und so die Fülle des Lebens auszukosten. Den Hindus und Buddhisten aber ist die fortlaufende Wiedergeburt in immer neuen Leben keine Verheißung, sondern ein Fluch. Es ist für sie kein Gewinn, sondern eine Last, dass die Mühsal und auch der Schein, wie sie sagen, irdischer Existenz immer weiter gehen. Ja, ihr Glaube ist geradezu darauf gerichtet, den Fluch der fortgesetzten Reinkarnation zu überwinden und ins Nirwana, einer Art Selbstauflösung des Ichs in das Göttliche, zu gelangen. In den meisten Richtungen der asiatischen Religionen ist dabei dieses hehre Ziel nur Privilegierten vorbehalten, die z.B. Zeit und Muße haben, sich durch ausgedehnte Meditationsübungen dieser angestrebten Selbstauflösung zu nähern. Die meisten Gläubigen müssen sich damit begnügen, durch positiven Lebenswandel und religiöse Praxis eine bessere Wiedergeburt im nächsten Leben zu erreichen. Dabei ist der Mensch dem Gesetz der Wiedergeburt, dem Karma-Prinzip, unentrinnbar ausgeliefert. Wer also Böses tut, hat die Folgen davon im nächsten Leben zu tragen – niemand kann den Menschen davon erlösen.
Hier setzt – über das Andere – der erneute Blick auf den eigenen Glauben an. Zum einen darin, dass Wiedergeburt in anderen Lebewesen nach diesem Leben und das sich Auflösen in ein Nichts oder Alles am Ende aus meiner Sicht gar nicht erstrebenswerte Ziele sind. Ich jedenfalls wünsche mir im Blick auf das Leben nach dem Tod bei aller Verwandlung in der Gemeinschaft mit Gott unverwechselbar ich selber zu bleiben oder zu werden. Vor allem aber wird mir im Dialog mit den asiatischen Religionen erneut bewusst, welch großes Geschenk Gottes Gnade in Jesus Christus für uns ist. Im Gespräch mit weltlichen Zeitgenossen mögen solche Dinge wie „Gnade“ oder „ewiges Leben“ eher in den Hintergrund rücken oder bisweilen fremd wirken. Im Dialog mit den anderen Religionen hingegen entfalten sie ihre Leuchtkraft. Jesus Christus, Gottes Sohn kommt in unsere Welt, um die von Gott abgewandten Menschen, die dadurch ohne Zukunft sind, zu erlösen. Er erlöst uns dabei in seinem Tod am Kreuz, auf den wir jetzt in der Passionszeit wieder zugehen, auf geheimnisvolle Weise. Luther nennt dieses Erlösungsgeschehen den fröhlichen Wechsel. Christus nimmt uns dabei ab, was uns von Gott trennt, unser Sündersein. Und er schenkt uns dabei das, was uns fehlt: ein vor Gott gerechtes, neues Leben. Anders ausgedrückt: Christus vergibt uns unsere Schuld. Anders als in der Vorstellung von der Reinkarnation sind wir durch Christus unseren Fehlern und Vergehen, unserer sündigen Existenz eben nicht erbarmungslos ausgeliefert. Vielmehr nimmt der Sohn Gottes unsere verfehlte Existenz in seine barmherzigen Hände und verwandelt sie. Und wir dürfen daraufhin gewiss sein, dass uns vergeben ist und wir von Gott angenommen sind. Nicht nur in diesem Leben, sondern dann auch im Jüngsten Gericht. Ewiges Leben für uns Sünder – das ist es, was Christi Heilstod für uns austrägt.
Reinkarnation? Nirwana? Ich bin – anders als es dem Selbstverständnis asiatischer Religionen entspricht - ein ganz und gar irdischer, sündiger Mensch ohne etwas Göttliches in mir. Aber durch den Sohn Gottes werde ich hinein genommen in den fröhlichen Wechsel der Vergebung. Schon hier gehöre ich so unwiderruflich zu Gott und darf dann auch einmal nach dem Tod ewig mit ihm leben – dank Gottes Gnade in Jesus Christus. Durch sie bekommt mein Leben innere Freiheit und Gelassenheit. So freue ich mich, ein Christ zu sein, gerade in diesem Monat mit Karfreitag und Ostern.
Götz Weber, Pastor in der Kreuzkirchengemeinde in Mitte