Christliche Kirchen feiern großes Tauffest unter freiem Himmel
von Dieter Sell (epd) Bremerhaven. Vorsichtig geht Pastorin Betina Dürkop im Talar in das flache Uferwasser im Bremerhavener Weserstrandbad. Suchend tasten ihre Füße nach festem Halt. Dann wird es feierlich: „Ich taufe Dich auf den Namen Jerif“, sagt sie zu dem Säugling aus der Familie Ratje und träufelt etwas Weserwasser auf seinen Kopf. Der Kleine ist der jüngste Teilnehmer von insgesamt 111 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die am Sonntag, dem 03. Juli 2011 bei einem großen Tauffest der christlichen Kirchen direkt am Fluss in Bremerhaven unter den Schutz Gottes gestellt werden.
Vor der Silhouette der Hafenstadt an der Nordseeküste hat sich in einer steifen Brise eine riesige Taufgesellschaft versammelt. Fast 100 Familien mit rund 1.200 Gästen sind der Einladung christlicher Kirchen in Bremerhaven zum Mega-Tauffest unter dem Motto „Gottesgeschenk“ an der Weser gefolgt. Am Ufer sind 13 Tauforte aufgebaut. Jeder ist mit einem eigenen Symbol wie Anker, Segelschiff oder Muschel gekennzeichnet. Damit Eltern, Paten und Angehörige wissen, wohin sie müssen und kein Chaos entsteht. „Danke, dass deine Hand mich leiten will an jedem Ort“, singen die Gäste, bevor es in den Fluss geht. Unter ihnen ist Familie Ratje, die gleich fünf Kinder im Alter bis zu zwölf Jahren angemeldet hat. „Der Deich, das Wasser, derStrand - das ist für mich ein besonderer Ort, hier bin ich groß geworden“, schwärmt Mutter Daniela. „Bisher kam immer irgendwas dazwischen, wenn wir die Kinder taufen lassen wollten“, ergänzt die 29-Jährige. „Mal war jemand krank, mal fehlten die Paten, dann war mein Mann Sascha arbeitslos und es war finanziell eng.“ Jetzt passt alles. Der Ort lockt, die Kirche sorgt für einen festlichen Rahmen, nach der Taufe gibt es kostenlos 1.600 Stück Butterkuchen und natürlich Kaffee und Kaltgetränke - literweise. „Das hier am Fluss ist auch für mich eine Premiere“, räumt Pastorin Dürkop ein. „Zurück zu den Wurzeln“, freut sich die 37-jährige Theologin. Denn die biblisch überlieferte Taufe Jesu im Jordan kann durchaus als Vorbild für das Fest in Bremerhaven angesehen werden. Taufe sei so etwas wie ein Rettungsring im Leben, erklärt eingangs ihre Kollegin Beate Kopf: „Gott steht zu uns - immer.“ Der Nachmittag gehört zum „Jahr der Taufe“, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bundesweit begeht. Von allein 80 besonderen Tauffesten in der hannoverschen Landeskirche weiß der landeskirchliche Koordinator Reinhard Fiola. „Und es wird noch wesentlich mehr geben. Das Jahr der Taufe hat einen Schub in Gang gesetzt.“ Für die Bremerhavener Mitorganisatorin Hanna Hagedorn ist klar, warum der Zulauf so groß ist. „Unter freiem Himmel sind die Hemmschwellen niedriger“, meint die Diakonin. „Dazu kommt: Besonders Alleinerziehende schrecken davor zurück, nur mit ihrem Kind im Gottesdienst vor die Gemeinde zu treten“, sagt Hagedorn. Das verweist gerade in Bremerhaven auch auf eine soziale Komponente. Denn in der Küstenstadt, die unter einer Arbeitslosenquote von 16,6 Prozent ächzt, können sich viele Menschen das Feiern nicht leisten. In der Anonymität des großen Tauffestes verschwimmen die Grenzen zwischen Arm und Reich. Zudem zeigen Statistiken, dass nur 25 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden getauft werden - im Gegensatz zu 85 Prozent bei anderen Familien. Dem begegnen die Kirchen mit Aktionen wie in Bremerhaven. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister begrüßt die boomenden Tauffeste. „Flüsse und das Meer galten schon in der Antike als besonders rein“, sagt der leitende Theologe der größten Landeskirche Deutschlands. Selten habe in den zurückliegenden Jahren eine Neuerung so „gezündet“, beobachtet auch der Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy, der in Bremerhaven mit tauft. Er beteilige sich deshalb so gerne, weil die Aktion an der Weser ökumenisch organisiert sei: „Das macht sehr schön deutlich, dass die Taufe ein Sakrament ist, das die unterschiedlichen Konfessionen verbindet.“