„Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ Aus diesem Bibelspruch (Matthäus 25,36) leitet auch die evangelisch-lutherische Kirche ihren Auftrag zur Gefängnisseelsorge ab. Diese Seelsorge geschieht im Gottesdienst, in Gesprächen und Workshops. Sie gilt sowohl den Gefangenen als auch den Bediensteten – und zwar unabhängig davon, ob oder zu welcher Religion jemand gehört.
Das Besondere an dieser Form der Seelsorge sind die Bedingungen, unter denen sie geschieht. Gemeint ist einerseits die Justizvollzugsanstalt als totale Institution sowie andererseits der rechtliche Rahmen.
Im Gefängnis wird der Alltag kontrolliert. Es gelten aber auch die Grundrechte auf Glaubensfreiheit (Art. 4 GG | Art. 140 GG). Gottesdienst und Seelsorge schaffen somit für die Gefangenen einen Freiraum. Dazu gehört auch, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger Stillschweigen bewahren über das, was sie erfahren (§ 139 Abs. 2 StGB). Dies ermöglicht vertrauensvolle und vorbehaltlose Offenheit im Gespräch.
Das Thema „Schuld“ spielt im Gefängnis eine besondere Rolle. Der christliche Glaube betrachtet alle Menschen als Sünderinnen und Sünder. Menschliches Leben ist zur Liebe bestimmt. Diesem Anspruch Gottes wird niemand gerecht. In Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi verarbeitet Gott das Böse. Er befreit Menschen von Sünde und vergibt ihnen Schuld. Damit ist die Schuld noch nicht aus der Welt. Sie muss weiterhin geahndet werden, um die Gesellschaft zu schützen. Aber sie steht nicht mehr zwischen Gott und Mensch. In dieser Spannung von Schuld und Vergebung geschieht Seelsorge im Gefängnis.
Um diese Aufgabe in der Spezialseelsorge wahrnehmen zu können, wird für Pastorinnen und Pastoren eine umfangreiche berufsbegleitende Weiterbildung vorausgesetzt.
Alexander Wilken ist Pastor in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Leherheide in Bremerhaven. Daneben ist er Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Bremen, Abteilung Bremerhaven.