Glauben Christen an zwei Götter?
Bei den Losungen, den Bibelworten für den Tag, am 26. Januar sagte im alttestamentlichen Vers ein gewisser Naaman, ein durch Gott geheilter syrischer General: „Dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern, sondern allein dem HERRN.“ (2. Könige 5,17) Der neutestamentliche Vers war aus dem 1. Johannesbrief (5,20-21): „Jesus Christus ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, hütet euch vor den Abgöttern.“ Die Zusammenstellung dieser beiden Bibelworte mag bei einem Außenstehenden die Frage hervorrufen: Ja, glauben denn Christen an zwei verschiedene Götter: Gott, den Vater, den HERRN des Alten Testaments, und an seinen Sohn Jesus Christus? Wer sich in der „christlichen Szene“ ein wenig auskennt, wird feststellen, dass die einen, die volkskirchlichen Christen, praktisch nur von „Gott“ reden, während bei freikirchlichen Christen fast nur von „Jesus“ die Rede ist. Bei der älteren Generation in der Kirche wird oft vom „Herrgott“ gesprochen und dieser als eher unpersönlicher Herr der Welt und des persönlichen Schicksals beschrieben, ähnlich dem „Allah“ der Muslime. Wir Pastoren hingegen reden gerne vom „Gott der Liebe“, der Mensch geworden und damit auch schwach und leidend ist.
Ja, wer oder wie ist denn nun Gott, an den wir Christen glauben, mag man daraufhin fragen. Diese Frage hat auch schon Christen der ersten Jahrhunderte umgetrieben. Einer, ein gewisser Marcion im 2. Jahrhundert, meinte eine endgültige Antwort gefunden zu haben, geprägt von einer geistigen Bewegung namens „Gnosis“. Er sagte: auf der einen Seite ist da der Schöpfer dieser sündigen Welt, der selber böse Gott des Alten Testaments. Auf der anderen Seite der gute Erlösergott Jesus Christus, der uns aus dieser bösen Welt befreit. Marcion war auch der erste, der eine christliche Bibel zusammenstellte – ohne das Alte Testament. Da wachten die anderen christlichen Theologen, Bischöfe und Laien auf. Der Schöpfer, der Gott des Alten Testaments, ist doch der Vater Jesu! Der Herr dieser Welt und der Erlöser Christus gehören doch zusammen! Im Glaubensbekenntnis bekannten sie sich zum allmächtigen Vater, zu seinem Sohn Jesus Christus und zum Heiligen Geist als dem dreieinigen Gott. Die Bibel in der heutigen Gestalt entstand, mit Altem und Neuem Testament. Heute glauben wir: Der Heilige Geist selber hat die Kirchenväter damals zu diesem entscheidenden Schritt in der Geschichte des christlichen Glaubens gebracht. Der Schöpfer und der Erlöser – das ist ein und derselbe Gott. Er hat alle Macht der Welt und er ist ganz Liebe. Manchmal ist für uns beides nicht leicht zusammenzubringen. Da fragen wir uns: Wie kann derselbe Gott – für alles Geschehen in der Welt die letzte Verantwortung tragen und zugleich voller Liebe zu uns Menschen sein? Da empfinden wir eine große Spannung zwischen Gott, der auch das Böse in der Welt in seiner Hand hat, und Gott, der mich ganz persönlich liebt. Und doch ist es richtig und wichtig, dass Gott, dem wir uns anvertrauen, nicht in zwei „Götter“ auseinander fällt, sondern einer ist. Was brächte mir ein Gott, der mich liebt, aber hilflos wäre, mir im Alltag zu helfen? Und wie schrecklich wäre ein Allmächtiger, der undurchdringliche Schicksalsmacht ohne Liebe zu uns Menschen wäre? Nein, gut, dass uns Christen durch den Heiligen Geist die Augen geöffnet sind, dass Gott, dem wir im Leben und Sterben vertrauen, einer ist. Er ist der Vater, über den niemand Macht hat, er ist Jesus Christus, der aus Liebe uns erlöst hat, und er ist der Heilige Geist, durch den wir glauben und lieben können.
Götz Weber, Pastor der Kreuzkirche in Mitte